Jürgen Jürges
Preisträger des Jahres 2016
Das Licht schafft für mich die Atmosphäre und ich arbeite mit sehr wenig Licht.
Jürgen Jürges
Geboren 1940 in Hannover. Verheiratet seit 1978 mit Gunda Jürges.
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Bremen studiert er von 1959 bis 1961 in Berlin Fotografie.1961 macht Jürgen Jürges den Abschluss zum Fotografen und arbeitet 1962-1963 als Volontär bei der Firma „modern art film“ in Berlin. Es folgen Kameraassistenzen bei Ernst Wild, Wolf Wirth, Franz Rath u.a. sowie ab 1967 eigenständige Arbeit an bis heute über 100 Filmen (einschließlich TV-Filmen und Kurzfilmen).
In seiner Arbeit als Kameramann begleiten ihn langjährige Beziehungen zu Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Robert van Ackeren, Norbert Kückelmann, Wim Wenders oder Michael Haneke, für die er wiederholt die Bildgestaltung übernimmt. Gleichzeitig dreht er aber auch oft mit Debütanten und Filme mit kleinerem Budget. Die Projekte ähneln sich nicht unbedingt in der ästhetischen Ausrichtung oder dem Genre, Jürges entscheidet sich in erster Linie anhand des Erzählstoffs für einen Film.
In den 1970ern fotografiert er einige wichtige Werke des Neuen Deutschen Films, darunter Rainer Werner Fassbinders Fontane Effi Briest (1972-74) und Angst essen Seele auf (1974) sowie Norbert Kückelmanns Die Angst ist ein zweiter Schatten (1975) und Die letzten Jahre der Kindheit (1979).
In den 1980er Jahren steht er bei Publikumserfolgen wie Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (Uli Edel, 1981), Die flambierte Frau (Robert van Ackeren, 1983) und Flussfahrt mit Huhn (Arend Agthe, 1985) hinter der Kamera. Außerdem erhält er zweimal den deutschen Kamerapreis – 1986 für Die Wupper(Jürgen Flimm) und 1988 für Eisenerde Kupferhimmel (Zülfü Livaneli, Yasar Kemal) – sowie den Bundesfilmpreis 1980 für Die Kinder aus Nr. 67 (Ursula Bartelmess, Werner Meyer) und Die letzten Jahre der Kindheit (Norbert Kückelmann, 1979). Weitere Auszeichnungen folgen; so wird er 1994 für Wim Wenders‘ In weiter Ferne, so nah! (1993) das zweite Mal mit den deutschen Filmpreis geehrt. Neben Wenders entwirft er auch die Bilder für einen weiteren gefeierten europäischen Filmautoren: Mit Michael Haneke entstehen die kontroversen und visuell kontrollierten Funny Games (1997), Code inconnu(2000, Code – unbekannt) und Le temps du loup (2003, WOlfszeit). Für den minimalistisch in schwarzweiß gedrehten Wege in die Nacht (Andreas Kleinert, 1999), erhält er den Deutschen Filmpreis in Gold (2000).
Seine Kariere bleibt mit einer Reihe von Projekten im In- und Ausland vielseitig. Kleinere Projekte wie Hochschul-Abschlussfilm Vier Fenster (Christian-Moris-Müller, 2005) stehen neben dem aufwändigen Historienfilm John Rabe (Florian Gallenberger, 2007) und dem Heimatfilm Nimm dir dein leben (Sabine Michel, 2005). In den letzten Jahren hat er über Jahre hinweg die Dreharbeiten für das legendenumwobene Projekt Dau (Ilya Khrzhanovskiy, 2008ff.) an der Kamera begleitet. Zur Zeit läuft in den deutschen Kinos noch Ich und Kaminski (Wolfgang Becker, 2015), während weitere Projekte abgedreht und in der Vorbereitung sind.
DAU. Science (2021)
Regie: Ilya Khrzhanovsky
DAU. Nora (2021)
Regie: Ilya Khrzhanovsky
DAU. Menu (2021, TV Mini Series)
Regie: Ilya Khrzhanovsky
DAU. Conformists (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Aleksey Slusarchuk
DAU. Sasha Valera (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Jekaterina Oertel
DAU. New Man (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Ilya Permyakov
DAU. Katya Tanya (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Jekaterina Oertel
DAU. Nikita Tanya (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Jekaterina Oertel
DAU. Teoriya strun (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Aleksey Slusarchuk
DAU. Smelye ludi (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Aleksey Slusarchuk
DAU. The Empire (2020, TV Mini Serie, 1 Episode)
– The Return of the Prodigal Son (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Anatoly Vasilyev
DAU. Tri diya (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Jekaterina Oertel
DAU. Nora Mother (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Jekaterina Oertel
DAU. Degeneratsiya (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Ilya Permyakov
DAU. Natasha (2020)
Regie: Ilya Khrzhanovsky, Jekaterina Oertel
Dau (2019)
Regie: Ilya Khrzhanovskiy
Das Milan-Protokoll (2018)
Regie: Peter Ott
Auf Augenhöhe (2016)
Regie: Joachim Dollhopf, Evi Goldbrunner
Ich und Kaminski (2015)
Regie: Wolfgang Becker
Im Spinnwebhaus (2013)
Regie: Mara Eibl-Eibesfeldt
Die Abmachung (2013)
Regie: Peter Bösenberg
Deutschland 09 (2008, Episode „Krankes Haus“)
Regie: Wolfgang Becker
Geliebte Clara (2007)
Regie: Helma Sanders-Brahms
John Rabe (2007)
Regie: Florian Gallenberger
Ohne einander (2007)
Regie: Diethard Klante
Rotes Holz (2007, Short)
Regie: Agnes Karow
Eduart (2006)
Regie: Angeliki Antoniou
Maries Lacheln (2006, Short)
Regie: Michael Schäfer
Vier Fenster (2006)
Regie: Christian Moris Müller
Nimm dir dein Leben (2005)
Regie: Sabine Michel
Vom Suchen und Finden der Liebe (2005)
Regie: Helmut Dietl
Schatten der Zeit (2004)
Regie: Florian Gallenberger
Andiamo! (2004, Dokumentarfilm)
Regie: Thomas Crecelius
Schwestern (2004, Short)
Regie: Mirjam Kubescha
Der Schwimmer (2004, Short)
Regie: Klaus Hüttmann
Hurensohn (2004)
Regie: Michael Sturminger
Le temps du loup | Wolfzeit (2003)
Regie: Michael Haneke
Ghettokids (2001)
Regie: Christian Wagner
O da beni seviyor | Sommerliebe (2001)
Regie: Baris Pirhasan
Malunde (2001)
Regie: Stefanie Sycholt
Ternitz, Tenessee (2000)
Regie: Mirjam Unger
Code inconnu | Code: Unbekannt (2000)
Regie: Michael Haneke
Quiero ser – Gestohlene Traume (2000)
Regie: Florian Gallenberger
Der Schrei des Schmetterlings (1999, TV)
Regie: Frank Strecker
Wege in die Nacht (1999)
Regie: Andreas Kleinert
Zita – Geschichten uber Todsunden (1998, Short)
Regie: Christian Wagner
Yara | Seelenschmerz (1998)
Regie: Yilmaz Arslan
Sawdust Tales (1997)
Regie: Baris Pirhasan
Avci | Der Jager (1997)
Regie: Erden Kiral
Funny Games (1997)
Regie: Michael Haneke
Sin Querer – Zeit der Flamingos (1997)
Regie: Ciro Capellari
Alle haben geschwiegen (1996, TV)
Regie: Norbert Kückelmann
Mossane (1996)
Regie: Safi Faye
Das zehnte Jahr (1995)
Regie: Käthe Kratz
Die Gebruder Skladanowsky (1995)
Regie: Wim Wenders
Ask Olumden Sogoktur (1995)
Regie: Canan Gerede
Das letzte Siegel (1993)
Regie: Stefan Dähnert
In weiter Ferne, so nah! | Far away, so close (1993)
Regie: Wim Wenders
Arisha, der Bar und der steinerne Ring (1993, Short)
Regie: Wim Wenders
Die ungewisse Lage des Paradieses (1992)
Regie: Franziska Buch
Abgetrieben (1992)
Regie: Norbert Kückelmann
Die wahre Geschichte von Mannern und Frauen (1992)
Regie: Robert van Ackeren
Robert’s Movie (1992)
Regie:Canan Gerede
Das Geheimnis des gelben Geparden (1990, TV)
Regie: Carlo Rola
Die Tanzerin (1989)
Regie: Masahiro Shinoda
Schatten der Wuste (1989)
Regie: Jürgen Bretzinger
Der Sommer des Falken (1988)
Regie: Arend Agthe
Die Venusfalle (1988)
Regie: Robert van Ackeren
Sis – der Nebel (1988)
Regie: Zülfü Livaneli
Dann ist nichts mehr wie vorher (1987)
Regie: Gerd Roman Frosch
Eisenerde Kupferhimmel (1987)
Regie: Zülfü Livaneli, Yasar Kemal
Schimanski – Zahn um Zahn (1987)
Regie: Hajo Gies
Der Flieger (1986)
Regie: Erwin Keusch
Das Missverstandnis (1986, Short)
Regie: Carlo Rola
Die Kautschukdame (1985)
Regie: Brigitte Toni Lerch
Die Wupper (1985, TV)
Regie: Jürgen Flimm
Die Todesspringer (1985)
Regie: Benno Trautmann
Die Schwarmer (1984)
Regie: Hans Neuenfels
Die Flusfahrt mit Huhn (1984)
Regie: Arend Agthe
Morgen in Alabama (1984)
Regie: Norbert Kückelmann
White Star (1983)
Regie: Roland Klick
Die flambierte Frau (1983)
Regie: Robert van Ackeren
Eisenhans (1983)
Regie: Tankred Dorst
Berliner Stadtbahnbilder (1982)
Regie: Alfred Behrens
Kraftprobe (1982, TV)
Regie: Heidi Genèe
Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (1981)
Regie: Uli Edel
Mosch (1980, TV)
Regie: Tankred Dorst
Die Kinder aus Nr. 67 (1980)
Regie: Ursula Bartelmess, Werner Meyer
Deutschland bleiche Mutter (1979)
Regie: Helma Sanders-Brahms
Die letzten Jahre der Kindheit (1979)
Regie: Norbert Kückelmann
Zwei Frauen in der Oper (1979)
Regie: Christian Veit-Attendorff
Schluchtenflitzer (1979)
Regie: Rüdiger Nüchtern
Lauter anstandige Menschen (1979, TV)
Regie: Diethard Klante
Das andere Lacheln (1978)
Regie: Robert van Ackeren
Halbe Halbe (1977)
Regie: Uwe Brandner
Grete Minde (1977)
Regie: Heidi Genée
Eierdiebe (1977)
Regie: Michael Fengler
Satansbraten (1976)
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Paule Paulander (1976)
Regie: Reinhard Hauff
Die Angst ist ein zweiter Schatten
Regie: Norbert Kückelmann
Angst vor der Angst (1975, TV)
Regie: Rainer Werner Fassbinder
John Gluckstadt (1975)
Regie: Ulf Miehe
Output (1974)
Regie: Michael Fengler
Fontane Effi Briest (1972-74)
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Eine Nacht in Venedig (1974)
Regie: Václav Kaslík
Angst essen Seele auf (1974)
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Die Zartlichkeit der Wolfe (1973)
Regie: Ulli Lommel
Paganini (1973, TV)
Regie: Eugen York
Der Graf von Luxemburg (1972)
Regie: Wolfgang Glück
Die Zelle (1971)
Regie: Horst Bienek
Blondie’s Number One (1971)
Regie: Robert van Ackeren
Fusball wie noch nie (1971, Experimentalfilm)
Regie: Hellmuth Costard
Sonstiges:
Die toten Hosen- Warum werde ich nicht satt? (2000)
Regie: Wim Wenders
Musikclip
U2 – Stay (1992)
Regie: Wim Wenders
John Rabe
Nominierung Deutscher Kamerapreis (2009)
Schatten der Zeit
Bayerischer Filmpreis (2004)
Wege in die Nacht
Adolf-Grimme Preis (2001)
Deutscher Filmpreis in Gold (2000)
Yara / Seelenschmerz
Kamerapreis Alexandria (1999)
Sawdust Tales
Siyad Award für „Beste Kamera“, Istanbul (1999)
„Beste Kamera“ Filmfestival Ankara (1998)
Der Jager (Avci)
Siyad Award (Award for Best Camera), Istanbul (1999)
„Best Cinematography“ Filmfestival Ankara (1998)
Sin Querer – Zeit der Flamingos
Deutscher Kamerapreis (1998)
In weiter Ferne, so nah! / Far away, so close
Preis der Filmhochschule Lodz (1994)
Bundesfilmpreis (1994)
Die Venusfalle
Bayerischer Filmpreis (1988)
Eisenerde Kupferhimmel
Deutscher Kamerapreis (1988)
Die Wupper
Deutscher Kamerapreis (1986)
Die Kinder aus Nr. 67
Bundesfilmpreis (1980)
Die letzten Jahre der Kindheit
Bundesfilmpreis (Filmband in Gold ) (1980)
Deutscher Kamerapreis:
Ernennung zum Ehrenkameramann (2002)
Wie kaum ein anderer Kameramann hat Jürgen Jürges den deutschen Film seit den frühen 1970er Jahren geprägt. Er hat für Rainer Werner Fassbinder die subtil distanzierten, realistisch verdichteten Bilder in Angst essen Seele auf (1974) und Fontane Effi Briest (1974) gestaltet und zuletzt Wolfgang Beckers Kunstbetriebs-Satire Ich und Kaminski (2015) visuell anspielungsreich umgesetzt. Dazwischen liegen über 40 Jahre und etwa 100 Filme, die stilistisch sehr unterschiedlich, von einem Willen zur Erforschung neuer Bildlichkeiten geprägt sind. In den 1980er Jahren hat er eine Reihe von Publikumserfolgen, darunter Die flambierte Frau (1983, Robert van Ackeren), Flussfahrt mit Huhn (1984, Arend Agthe) und Die Venusfalle (1988, Robert van Ackeren) fotografiert; seit den 90er Jahren hat er seinen Aktionsradius erweitert und in Patagonien und der Türkei, in Frankreich und Indien gedreht. Im Verlauf seiner Karriere hat Jürges mit so unterschiedlichen Regiepersönlichkeiten wie Wim Wenders (In weiter Ferne, so nah!, 1993) und Ulli Edel (Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, 1981), mit Roland Klick (White Star, 1983) und Tankred Dorst (Eisenhans, 1983) gearbeitet. Dabei sind Thriller, Kinderfilme, Historiendramen, Komödien, Literaturverfilmungen und Melodramen entstanden, die visuell stets einen Überschuss bieten und in Erinnerung bleiben, ohne sich als bildästhetische Schaustücke zu exponieren.
Ob er in dreizehn Tagen mit Fassbinder Angst essen Seele auf abdreht oder mehrere Jahre an Ilya Khrzhanovskys legendenumwobenen Dau (seit 2008, noch nicht abgeschlossen) arbeitet, Jürges legt immer die gleiche Genauigkeit an den Tag und interessiert sich vor allem für den jeweiligen Stoff und seine adäquate visuelle Umsetzung. Insofern ist es nur folgerichtig, dass sich in seinem Oeuvre sowohl Abschlussfilme von Hochschulen (Vier Fenster, Christian Moris Müller, 2006) wie aufwändige internationale Historienfilme (John Rabe, Florian Gallenberger, 2009) finden. Dieser Ruf als einer der innovativsten und handwerklich perfektesten Kameramänner Europas, der sich eigenständig und kollaborativ zugleich auf den vorgegebenen Stoff einlässt, ist längst auch über die Landesgrenzen hinaus gedrungen. So hat er drei Filme mit Michael Haneke gedreht, die alle trotz der strengen visuellen Grundkonzeption immer wieder überraschende Details bieten (Funny Games, 1996; Code unbekannt / Code inconnu, 1999; Wolfszeit / Le temps du loup, 2000).
Jürgen Jürges‘ Grundhaltung ist stets experimentell-forschend. Seine Auflösungen und Ausleuchtungen geben sich nie mit dem Naheliegenden und Formelhaften zufrieden, sondern suchen nach einem bildgestalterischen Mehrwert, der dem Inhalt des jeweiligen Films gemäß ist. Dabei gibt es aber keine Signatur, die auf Jürges verweist, sondern er begibt sich gemeinsam mit Regie, Darstellern und weiteren Filmschaffenden auf eine Expedition, um den adäquaten Ausdruck für eine Geschichte, ein Milieu oder ein Ereignis zu suchen. Legendär ist dabei seine bilderforschende Neugier, mit der er ausgetretene Pfade verlässt und sich auf unbekanntes Gebiet vorwagt.