Marburger Kamerapreis
2013: Reinhold Vorschneider

2013: Reinhold Vorschneider

Reinhold Vorschneider

Preisträger des Jahres 2013

Wenn ich schaue, ist die Wahrnehmung des Lichts schon sehr im Vordergrund. Und ich hatte schon sehr früh das Gefühl, dass die natürlichen Lichtqualitäten die Qualitäten von gestaltetem Film Licht oft übertreffen.

Reinhold Vorschneider

Reinhold Vorschneider, geboren 1951, studiert zunächst Philosophie und Politologie, bevor er 1983 ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) aufnimmt. Seit seinem Abschluss im Jahr 1988 ist Vorschneider als Kameramann tätig. In dieser Funktion arbeitet er meist mit Autorenfilmern wie Rudolf Thome („Paradiso – Sieben Tage mit sieben Frauen„; 2000), Angela Schanelec („Nachmittag„; 2007), Maria Speth („Madonnen„, 2007), Thomas Arslan, Christoph Hochhäusler und Benjamin Heisenberg zusammen.

Neben seinen Kinoarbeiten ist Vorschneider auch an TV-Produktionen beteiligt, zumeist für die Filme des Regisseurs Michael Kreihsl („Der Prager Frühling„, 2008). 2010 war Reinhold Vorschneider mit drei Filmen auf der Berlinale vertreten: Benjamin Heisenbergs „Der Räuber“ (im Wettbewerb), Angela Schanelecs „Orly“ und Thomas Arslans „Im Schatten“ (beide im Forum).

Für seine Bildgestaltung bei Benjamin Heisenbergs hoch gelobtem Drama „Der Räuber“ wird Reinhold Vorschneider 2010 für den Deutschen Filmpreis nominiert. Mit „Der Räuber“ war er zudem in der Kategorie Kamera für den Österreichischen Filmpreis und den Deutschen Kamerapreis nominiert.

Auf der Berlinale 2011 waren seine Arbeiten „Swans“ von Hugo Vieira da Silva und „Dreileben/Eine Minute Dunkel“ von Christoph Hochhäusler zu sehen. „Dreileben“ erhielt 2012 den Grimme-Preis Spezial.

2012 drehte Reinhold Vorschneider gerade mit Benjamin Heisenberg den neuen Kinofilm „Wandelsterne“ sowie mit Maria Speth „Anonym“. Beide Projekte befinden sich in der Postproduktion.

Bis ans Ende der Nacht (2023)
Regie: Christoph Hochhäusler

Mutter (2022)
Regie: Carolin Schmitz

Man kann nicht alles haben (2021)
Regie: Michael Kreihsl

Herr Bachmann und seine Klasse (2021)
Regie: Maria Speth

Vier Saiten (2020)
Regie: Michael Kreihsl

Golden Twenties (2019)
Regie: Sophie Kluge

Was gewesen wäre (2019)
Regie: Florian Koerner von Gustorf

A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe (2017)
Regie: Nicolette Krebitz

Helle Nächte (2017)
Regie: Thomas Arslan

Liebe möglicherweise (auch Auf Reisen) (2016)
Regie: Michael Kreihsl

Der traumhafte Weg (2015)
Regie: Angela Schanelec 

Wild (2015)
Regie: Nicolette Krebitz 

Über ich und du (2014)
Regie: Benjamin Heisenberg

Die Lügen der Sieger (2014)
Regie: Christoph Hochhäusler 

Die Abmachung (2013)
Regie: Peter Bösenberg 

Wandelsterne (2012/2013)
Regie: Benjamin Heisenberg

Anonym (2012)
Regie: Maria Speth

Halbschatten (2011/2012)
Regie: Nicolas Wackerbarth

Eine Minute Dunkel (2010/2011)
Regie: Christoph Hochhäusler

Swans (2010/2011)
Regie: Hugo Vieira da Silva

9 Leben (2010)
Regie: Maria Speth

Im Schatten (2009/2010)
Regie: Thomas Arslan

Orly (2009/2010)
Regie: Angela Schanelec

Der Räuber (2008-2010)
Regie: Benjamin Heisenberg

Nachmittag (2006/2007)
Regie: Angela Schanelec

Madonnen (2005-2007)
Regie: Maria Speth

Schläfer (2004/2005)
Regie: Benjamin Heisenberg

Close (2004)
Regie: Marcus Lenz

Marseille (2003/2004)
Regie: Angela Schanelec

Mein langsames Leben (2000/2001)
Regie: Angela Schanelec

In den Tag hinein (2000/2001)
Regie: Maria Speth

Paradiso – Sieben Tage mit sieben Frauen (1999/2000)
Regie: Rudolf Thome

Plätze in Städten (1997/1998)
Regie: Angela Schanelec

Das Glück meiner Schwester (1995)
Regie: Angela Schanelec

Das Geheimnis (1994/1995)
Regie: Rudolf Thome

Hinter dem Holunderbusch (1993, Dokumentarfilm)
Regie: Dagmar Jacobsen

Die Sonnengöttin (1992)
Regie: Rudolf Thome

Fremde Leben (1990)
Regie: Ralph Bohn

Der Philosoph (1988/1989)
Regie: Rudolf Thome

(1987)
Regie: Klaus Weise

Retouche (1984/1985)
Regie: Beat Lottaz, Dieter Funk

Als Kameramann / Kurzspielfilme:

Deutschland ’09 – 13 kurze Filme zur Lage der Nation: Episode „Erster Tag“ (2008/2009)
Regie: Angela Schanelec

Halbe Stunden (2007)
Regie: Nicolas Wackerbarth

In no sense (1992)
Regie: Claudia Schillinger

Billi (1990) (auch Licht)
Regie: Priska Forter

Tagesreste (1989)
Regie: Matthias Müller

Für Axel (1989)
Regie: Max Müller

Das Wasser des Nils wird zu Blut werden (1988/1989)
Regie: Frank Behnke

The Shadow of Your Smile (1986)
Regie: Thomas Bauermeister

Als Kameramann/ TV:

Das Attentat auf Matthias Erzberger (2008, TV Dokumentarfilm)
Regie: Heinrich Billstein

Der Mord an Walther Rathenau (2008, TV Dokumentarfilm)
Regie: Heinrich Billstein

Der Prager Frühling (2008)
Regie: Michael Kreihsl

Liebe auf Kredit (2007)
Regie: Michael Kreihsl

Mein Vater, meine Frau und meine Geliebte (2004)
Regie: Michael Kreihsl

Liebe zartbitter (2003)
Regie: Michael Kreihsl

Die Geschichte Mitteldeutschlands (1999/2001, TV Dokumentarserie, 2 Folgen)
Regie: Volker Holecek u.a.

Als Kameraassistenz:

Manöver (1988)
Regie: Helma Sanders-Brahms

Das Mikroskop (1987/1988)
Regie: Rudolf Thome

Die Katze (1987/1988)
Regie: Dominik Graf

Preise und Auszeichnungen für die Kamera:

2010 Deutscher Filmpreis nominiert für Der Räuber

2010 Deutscher Kamerapreis nominiert für Der Räuber

2010 Österreichischer Filmpreis nominiert für Der Räuber

Preise und Auszeichnungen für die Filme:

2012 Grimme-Preis Spezial für Dreileben

2011 Deutscher Fernsehpreis für Dreileben

2010 Filmkunstpreis des Festivals des Deutschen Films für Orly

2010 DEFA-Förderpreis für 9 Leben

2009 Bayerischer Filmpreis für Der Räuber

2007 Hessischer Filmpreis für Madonnen

2005 First Steps Award für Schläfer

2001 VPRO Tiger Award

Großer Preis der Jury des Internationalen Frauen Film Festivals

MFG-Star für In den Tag hinein

1996 Preis der deutschen Filmkritik für Das Glück meiner Schwester

Reinhold Vorschneider ist ein Kameramann mit einem langen Atem. Seit den 1980er Jahren zeichnet der 1951 geborene Vorschneider als Bildgestalter vor allem für deutsche Filme verantwortlich. Nach Assistenzen bei Martin Schäfer (u.a. bei Dominik Grafs großbudgetiertem Thriller Die Katze, 1988) und einem Studium an der dffb beginnt er bei Rudolf Thome seine eigenständige Kameraarbeit. Ab Mitte der 1990er Jahre kommt dann auch die prägende Zusammenarbeit mit Angela Schanelec hinzu, für die Vorschneider bislang mehr als ein halbes Dutzend geduldige und präzise Arbeiten ablieferte. Durch die Bildgestaltung für Benjamin Heisenberg, Maria Speth, Christoph Hochhäusler und Thomas Arslan wird er international bekannt.

Auch wenn sie keine auffälligen Effekte oder vordergründige Techniken einsetzen, so fallen die Filme, die Vorschneider fotografiert hat, doch immer auf durch ihre außerordentliche Präzision und durch ein durchdachtes Konzept, das sich aber niemals als solches in den Vordergrund drängt. Diese Filme haben keine Signatur im Sinne einer Stilfigur, aber sie besitzen dennoch etwas eigenes, das sich häufig in der Lichtgestaltung und in der wandelbaren Beziehung von Raum, Zeit und Figur findet.

Dabei gleicht kein Film Vorschneiders dem anderen: Benjamin Heisenbergs Der Räuber (2010), eine kinetische Geschichte eines Bankräubers und Marathonläufers, hat er in dynamische Bilder auf 35mm in Cinemascope und Farbe gefasst, Angela Schanelecs Orly (2010) entstand an Originalschauplätzen mit langen, unbewegten Einstellungen, die mit der digitalen RED festgehalten wurden. Und Maria Speths Neun Leben (2010) ist ein in Schwarzweiß gedrehter Dokumentarfilm. Immer wieder fordert Vorschneider also sich und die Zuschauer heraus, die Welt durch die Kamera neu zu entdecken.

Reinhold Vorschneider vertraut ganz dem natürlichen Licht und fordert den Zuschauer dazu auf, dessen Eigenheiten zu entdecken. Meist belässt er es beim vorgefundenen Licht und greift nur selten mit künstlicher Beleuchtung ein. Man könnte ihn als einen Kameramann des Halbdunkels und des Halbschattens bezeichnen. Es ist ganz erstaunlich, welche Differenzierungen er der Dunkelheit abringt, in die dann immer noch die Spiegelungen eines fernen Lichts hineinfallen und kleine Lichtinseln erzeugen. Besonders eindrücklich gelingt dies in der großen Altbauwohnung in Der Räuber, in der sich das ungleiche Paar eingerichtet hat. Diese wird allein durch das Licht inszeniert: die dem milden Hoflicht zugewandte Küche, die durch schwere Gardinen abgedunkelten Schlafräume und der schmale, ganz von der Dunkelheit umfangene Flur dazwischen. Auch Im Schatten (2010, Thomas Arslan) demonstriert Vorschneiders Interesse am Licht und seiner Eigenschaften: Der Film beginnt mit einer langen Einstellung auf eine nächtliche Kreuzung der Berliner Friedrichstraße, auf die sich ein Platzregen ergießt. Die Szenerie ist erleuchtet durch die Vielfalt der städtischen Lichtquellen – Straßenlaternen, Leuchtreklamen, Verkehrsschilder und Hinweistafeln, die alle ihr eigenes Licht aussenden. Die Kamera tut nun nichts anderes als auf das Genaueste die Spiegelungen und Brechungen des Lichts im nassen Asphalt, in den Schaufenstern und Glasfassaden zu beobachten. Sie entwirft ein Zeitbild. Sie zeichnet auf, wie sich die Farben und die Konturen der Dinge in einem beständigen Fluss verändern.

Reinhold Vorschneiders Ästhetik der Beobachtung und Dauer fordert uns als Zuschauer auf, genau hinzuschauen – durch minimale Bewegungen, Fokusverschiebungen oder die schiere Insistenz trainieren die Filme die Aufmerksamkeit und schärfen die Wahrnehmung. Es sind zumeist Studien von Licht und Bewegung im Raum, eher als Bilder, die Figuren einfach nur bei Handlungen abbilden. Eine große Klarheit und Ruhe strahlen diese Aufnahmen aus. Dabei kommt die Bildgestaltung unaufgeregt und direkt daher; es ist die Alltagserfahrung, für die Reinhold Vorschneiders Kamera uns die Sinne schärft.